Die Soziale Arbeit ist eine wichtige Akteurin in der Radikalisierungsprävention. Mit Projekten gegen Rassismus und Rechtsextremismus sowie zu Fanarbeit und Jugendgewalt hat sie gezeigt, dass sie diese Zielgruppen mit ihren Angeboten erreicht. Die Soziale Arbeit orientiert sich an ethischen und professionellen Grundsätzen und arbeitet mit praxiserprobten Instrumenten. Das macht sie zur idealen Akteurin einer Radikalisierungsprävention, welche menschenrechtszentriert, theoretisch-methodisch angeleitet und machtkritisch-reflexiv ist1.
Im Umfeld eines grossen Fussballclubs kommt es wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen mit gegnerischen Fanclubs. Deshalb wird unter der Leitung eines Sozialarbeiters ein Fanarbeitsprojekt ins Leben gerufen. Der Sozialarbeiter gestaltet mit den Jugendlichen Vereinsaktivitäten, Stadionchoreografien und Transparente und reist mit ihnen zu Auswärtsspielen. Gleichzeitig versucht er in der Fanarbeit, die jugendlichen Fans bezüglich Gewalt und der Verwendung illegaler Pyros etc. zu sensibilisieren. Damit erreicht er vor allem die jüngeren und weniger gewaltbereiten Jugendlichen. Die Vertrauensarbeit und die Begleitung der Fans an die Fussballmatches erlaubt es ihm immer wieder, in brenzligen Situationen Einfluss zu nehmen. Zudem kann er die jüngeren Jugendlichen auf diese Weise für die Versuche gewaltbereiter Fangruppen, sie für sich einzunehmen, sensibilisieren. Die Jugendlichen tragen ihm mitunter Insiderinfos zu geplanten illegalen Aktionen zu, die es ermöglichen, Gewalteskalationen mit der Polizei oder gegnerischen Fans zu verhindern. Und nicht zuletzt ist er mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Kontakt, welche ein Stadionverbot haben, nimmt an regelmässigen Austauschtreffen mit der Leitung des Fussballclubs teil und übernimmt so eine Scharnierfunktion zwischen (gewaltbereiten) Fussballfans, dem Fussballclub und der Polizei.
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Hinweis: Die Fallbeispiele illustrieren die jeweilige Thematik und die damit verbundenen Herausforderungen. Sie enthalten jedoch nicht unbedingt Empfehlungen dazu, welche Massnahmen in den dargestellten Radikalisierungsfällen ergriffen werden sollten. Diese gilt es von Fall zu Fall sorgfältig abzuwägen und zu beschliessen. Einige Beispiele präsentieren aber Präventionsmassnahmen, welche sich in vergleichbaren Situationen als wirksam herausstellen können.
Die Soziale Arbeit interagiert mit Akteuren der Zivilgesellschaft und bringt ihre Kompetenzen in der Prävention für Jugendliche und junge Erwachsene ein2. Ihre Arbeitsgebiete sind:
- Früherkennung und Beziehungsaufbau zu gefährdeten Jugendlichen (Gefährdung infolge endogener und exogener Faktoren);
- Beratung zu Themen wie Sucht, Delinquenz und Opferschutz;
- Gemeinwesenarbeit in Gemeinden und benachteiligten Quartieren, Mediation und Vernetzung;
- Streetworking, aufsuchende Jugendarbeit und offene Jugendarbeit;
- Schulsozialarbeit, Beratung von Lehrpersonen, Gespräche mit Jugendlichen und Eltern;
- Arbeitsintegration, Berufsberatung, psychosoziale Angebote;
- Sozialpädagogische Betreuung in offenen und geschlossenen Einrichtungen für Jugendliche und junge Erwachsene, Familienbegleitung, Beistandschaften;
- Sozialarbeiterische Begleitung im Rahmen von Mandaten der Jugendanwaltschaft, Bewährungshilfe, Beistandschaft sowie Beratung und wirtschaftliche Unterstützung von Haftentlassenen;
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachstellen, Polizei, Schule und betroffenen Familien im Spannungsfeld von Bedrohungsmanagement und Schutz vor Repression;
- Vermittlung und Vertrauensaufbau mit muslimischer Jugendarbeit im Spannungsfeld von Anerkennung und Marginalisierung (Muslimfeindlichkeit).
- 1 Oulad O’Hand, Saloua Mohammed & Nadar, Maike (2020). Schwer erreichbare Zielgruppen für die Radikalisierungsprävention. Erfahrungen und Ansätze der Sozialen Arbeit. Bonn: kippconzept.
- 2 Eser Davolio, Miryam (2017). Jihadistische Radikalisierung in der Schweiz – eine Aufgabe für die Soziale Arbeit? In Migration und Soziale Arbeit, Heft 3 (Un)Sicherheit, S. 242-248.