Liste der als besorgniserregend zu betrachtenden Anzeichen (alle Extremismusformen)

Die im Rahmen dieses Projekts erstellte Liste richtet sich an Sozialarbeitende der Sozialdienste und Fachpersonen, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Sie bittet ein übergreifendes und gleichzeitig differenziertes Bild von den Hinweisen, die auf eine Radikalisierung eines jungen Menschen hindeuten können.

Die Liste orientiert sich an den Dimensionen, welche der Schweizer Strafvollzug verwendet, um Indikatoren zur Beurteilung risikorelevanten Verhaltens im Extremismus1 zu erfassen. Auch das Screening Tool «Ra-Prof» verwendet diese Dimensionen. Die Liste deckt alle gängigsten Extremismusformen ab (Rechts- und Linksextremismus, dschihadistischer Extremismus, monothematischer Extremismus). Sie gliedert sich in sieben Dimensionen, welche von Einstellungen über Opfermentalität und Gewaltaffinität bis zu Absonderung und Autoritätsgläubigkeit reichen. Die einzelnen Items sind auf die Lebenswelten und mögliche Radikalisierungsprozesse Jugendlicher zugeschnitten.

Fällt eine heranwachsende Person mit Äusserungen oder Verhaltensweisen auf, die auf eine Radikalisierung hindeuten, können Sozialarbeitende der Sozialdienste und Fachpersonen, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten, ihre Situationsanalyse anhand der im Dokument aufgelisteten besorgniserregenden Anzeichen vervollständigen. Es ist aber in jedem Fall empfohlen, mit der zuständigen kantonalen oder städtischen Anlaufstelle Kontakt aufzunehmen. Diese unterstützt und berät sie bei der eingehenderen Einschätzung der Situation oder übernimmt den Fall, wobei die Anonymität der betroffenen Person gewahrt bleibt.

Die Liste führt Einstellungen, Verhaltensweisen und Haltungen auf, die sich als besorgniserregend herausstellen können. Sie ermöglicht Sozialarbeitenden der Sozialdienste und Fachpersonen, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten, die Situation der betreffenden Person global zu betrachten und ihre Einstellungen, Denkmuster und Orientierungen zu beurteilen. Dabei sollten diese stets auch Informationen aufnehmen, die sie von Peers, Eltern oder anderen Bezugspersonen erhalten.

Möglichkeiten und Grenzen der Liste der als besorgniserregend zu betrachtenden Anzeichen
Die Liste gibt keine genauen Grenzwerte für bedenkliche respektive unbedenkliche Haltungen und Verhaltensweisen an. Bei Fragen oder Beratungsbedarf in Zusammenhang mit diesem Thema kann die zuständige kantonale oder städtische Anlaufstelle kontaktiert werden. Wenn Aussagen der Dimensionen «Drohendes Verhalten» und «Gewaltlegitimierende Haltung» gemäss Liste zutreffen, gilt es umgehend, die zuständige kantonale oder städtische Anlaufstelle oder auch direkt die Polizei zu kontaktieren.

Ein weiteres Alarmzeichen ist, wenn Veränderungen nicht langsam und in immer zunehmendem Mass feststellbar sind: Erfolgt die Abkehr von bisherigen Einstellungen, Freundinnen und Freunden und vom bisherigen Diskussionsstil plötzlich, sodass Aussenstehende die neue Ausrichtung nicht mit der früheren Persönlichkeit zusammenbringen können, befindet sich die Person vermutlich im Sog extremistischer Einflüsse. Dadurch verliert sie den Realitätsbezug – ähnlich, wie das auch bei religiösen Sekten der Fall ist. Auch in einem solchen Fall kann mit Unterstützung der zuständigen kantonalen oder städtischen Anlaufstelle die Situation klarer eingeschätzt und weitere Schritte und Interventionsmassnahmen können definiert werden. Der Austausch mit dieser Stelle hilft, die Situation klarer einzuschätzen und weitere Schritte und Interventionsmassnahmen zu definieren. Der Fokus der Anlaufstellen liegt auf Hilfestellungen, welche es der betroffenen Person ermöglichen, die gefährliche Sogwirkung extremistischer Gruppierungen zu erkennen und sich davon zu distanzieren.

Es gibt aber kaum eine Person, die sich schlagartig von einem auf den anderen Tag radikalisiert, sodass dies für alle offensichtlich wäre2. Vielmehr schreitet die Radikalisierung meistens langsam voran. Von Aussenstehenden wird sie nur bemerkt, wenn sie über eine gewisse Zeit mit der betroffenen Person in Kontakt stehen und zudem für Verhaltensänderungen sensibilisiert sind.

Bei einem Radikalisierungsverdacht ist es wichtig, sich mit Werturteilen zurückzuhalten, um den Austausch weiterführen und die Gesprächsbereitschaft und die Beziehung aufrechterhalten zu können. Andernfalls besteht das Risiko, dass die betroffene Person in eine Verteidigungs- oder Abwehrhaltung gerät und die Beziehung abbricht. Und jeder Beziehungsabbruch kann die betroffene Person weiter in die Radikalisierung hineintreiben.